Vorsicht bei Gehirnentzündung: Krankheit ist gefährlich gut getarnt

Pressemitteilung /

Am 22.2. ist "Welt-Enzephalitis-Tag". Wir behandeln regelmäßig Patienten mit diesem Krankheitsbild.

Der 22. Februar („Welt-Enzephalitis-Tag“) rückt das Krankheitsbild „Gehirnentzündung“ in den Fokus. Diese Erkrankung ist gefährlich, weil die Symptome oft diffus sind – eine Gehirnentzündung kann unbehandelt oder zu spät behandelt lebensbedrohlich sein oder bleibende Gehirnschäden verursachen. Prof. Dr. Andreas Binder, Chefarzt der Klinik für Neurologie auf dem Winterberg, sagt: „Patienten werden oft erstmal als psychiatrisch auffällig erlebt und eingeschätzt – da kann wertvolle Behandlungszeit verloren gehen.“ Er berichtet von einem typischen Fall aus dem Klinikum. Auf dem Winterberg werden regelmäßig Patienten mit Enzephalitis unterschiedlicher Ursachen behandelt.

Welt-Enzephalitis-Tag

Am 22. Februar ist Welt-Enzephalitis-Tag. Ziel dieses Aktionstages ist, Gehirnentzündungen als Krankheitsbild stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken. Gehirnentzündungen („Enzephalitiden“) sind schwere Erkrankungen. Es kann zu Bewusstseinsstörungen, Wahrnehmungsstörungen (z.B. auch Halluzinationen), epileptischen Anfällen und neurologischen Ausfällen, wie z.B. Sprachstörungen, Sehstörungen, sensiblen oder motorischen Störungen kommen.

Enzephalitis kann tödlich verlaufen

Einige Varianten verlaufen ohne die richtige Therapie tödlich, aber auch mit frühzeitiger Behandlung leiden viele Patienten oft dauerhaft an den Folgen. Auslöser bei Patienten mit gesundem Immunsystem sind am häufigsten Erreger wie das Herpes-Simplex-Virus, Varizella-Zoster-Virus, Epstein-Barr-Virus, Arboviren (z.B. FSME), Masern- oder Rötelnviren, HIV, Tollwutviren oder auch Corona-Viren.

„Durch schnelle Diagnose und Behandlung mit virushemmenden Medikamenten kann die Prognose der auch lebensbedrohlichen Erkrankung deutlich verbessert werden“, sagt Prof. Dr. Andreas Binder, „die Patienten werden wieder gesund, benötigen aber häufig eine Rehabilitation. Schwere Verläufe mit behindernden Ausfällen sehen wir trotz bester Therapie dennoch“.

In selteneren Fällen sind Hirnentzündungen möglich, die nicht durch Viren verursacht sind, die sogenannte Autoimmune Enzephalitis: Auch hierzu besteht Expertise auf dem Winterberg – mit der Teilnahme am GENERATE-Netzwerk trägt das Klinikum Saarbrücken dazu bei, dass diese Erkrankung besser verstanden wird.

Die Erkrankung kann traumatisch sein

Für Angehörige kann es schwierig sein, die Tragweite der Erkrankung in den ersten Ausprägungen einzuschätzen, weil die Symptome auch missgedeutet werden können – beispielsweise als starke Erkältung, die vielleicht nach dem Ausschlafen besser ist. Das kann aber mitunter zu spät sein, wenn es eine Enzephalitis ist. Was die Patientinnen und Patienten bei dieser Erkrankung erleben, kann für sie und ihre Angehörigen traumatisch sein, insbesondere, wenn sie nicht gleich eine Diagnose und Therapie erhalten, sondern als primär psychiatrisch erkrankt eingestuft werden.

Eine aktuelle (anonyme) Patientengeschichte aus der Klinik für Neurologie auf dem Winterberg zeigt sehr deutlich, wie diffus die Symptome sein können, wie sehr die Betroffenen belastet sind und dass die Symptomatik Laien manchmal auf eine falsche Fährte locken kann – ein Rückblick:

Patientengeschichte aus dem Klinikum: "Da stimmt was nicht im Kopf"

Für Simone Pfeifer (Name geändert) startete die Adventszeit 2022 mit einem hartnäckigen grippalen Infekt. Die Mittfünzigerin entwickelte Schwindelattacken, stürzte Anfang Dezember und zog sich dabei eine Kopfplatzwunde zu. Trotz ärztlich verordneter Bettruhe und Befreiung von der Arbeit verbesserte sich der Zustand auch in der Folgewoche nicht – der Hausarzt verlängerte den „Krankenschein“, was sie widerwillig akzeptierte – sie wollte unbedingt vor Weihnachten wieder an den Arbeitsplatz.

Es ging auf und ab – mal ging es besser, mal schlechter, mal waren die Gliederschmerzen und Kopfschmerzen kaum auszuhalten, mal fast weg. Auch die Blutuntersuchung, die der Hausarzt veranlasste: Keine Auffälligkeit, lediglich der Natriumwert war etwas gering. Die Patientin kann sich noch gut an das Telefonat mit ihrem Hausarzt am 22. Dezember, also kurz vor Weihnachten, erinnern. Sie hat gespürt, dass sie weiterforschen muss, um die Ursache der Symptome abzuklären, denn sie fühlte sich überhaupt nicht wohl. Es wurde immer schlechter, nie besser, und ihrer Tochter fiel plötzlich auf, dass ihre Mama wesensverändert war, sich komisch benahm.

„Da stimmt etwas nicht im Kopf, fahr sie ins Krankenhaus“, überzeugt sie den Vater der Familie, der sie sofort auf den Winterberg brachte. Den Weg vom Parkplatz zur Zentralen Notaufnahme des Klinikums Saarbrücken konnte die Betroffene zu diesem Zeitpunkt nur noch im Rollstuhl zurücklegen. Nach der neurologischen Erstuntersuchung wurde eine sogenannte Lumbalpunktion, eine Entnahme von Nervenwasser, durchgeführt. Diese ergab: „Virale Enzephalitis“. Eine Therapie wurde sofort eingeleitet, die mehrere Wochen dauerte und sie ans Krankenhaus band.

An die Zeit nach dem 22. Dezember kann sich die Erkrankte nur in Teilen erinnern, große Erinnerungslücken und Wortfindungsstörungen begleiten sie bis heute. Nach der Reha-Maßnahme wird sich zeigen, ob und wann sie wieder in ihren Beruf einsteigen kann.

Aufmerksam beobachten und dann handeln

Ein typisches Verlaufsbeispiel, sagt Neurologie-Chefarzt Prof. Dr. Andreas Binder: „Die Symptome einer Gehirnentzündung sind häufig diffus und entwickeln sich langsam. Daher kann das Erkrankungsbild anfangs schwer erkannt werden.“ Die typischen Beschwerden seien zunächst Abgeschlagenheit und Zeichen eines Infektes, dann werden die Patienten zunehmend schläfrig, verwirrt und es treten neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle auf. „Deshalb denken viele zuerst an einen Schlaganfall“, sagt Prof. Dr. Andreas Binder.

In jedem Fall ist es sinnvoll, sich bei dem leisesten Verdacht Hilfe zu holen - je nach Situation entweder durch Vorstellung beim Arzt oder über die Alarmierung eines Rettungsmittels (112) über die Rettungsleitstelle.

Das Klinikum Saarbrücken ist Mitglied der Deutschen Hirnstiftung: https://hirnstiftung.org.

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Neurologie-Chefarzt Prof. Dr. Andreas Binder erklärt, worauf Laien achten können, um eine gefährliche Hirnentzündung zu erkennen.