Blutschwämmchen, Storchenbiss & Co: Wie kann die Neuroradiologie helfen?

Pressemitteilung /

Die zehnjährige Leonie aus Weiten hat dank einer Behandlung auf dem Winterberg fast keine Beschwerden mehr.

Gefäßmalformation heißt es medizinisch korrekt, umgangssprachlich wird oft Blutschwämmchen, Storchenbiss oder Feuermal gesagt. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, bei der es zu einer knäuelartigen Ansammlung von krankhaft veränderten Gefäßen kommt. Sind die Venen betroffen, so nennt man diese „venöse Malformation“. In der Regel sind venöse Malformationen angeboren und gutartig. Aber: Bei kleinen Kindern wachsen sie mit und können Schmerzen oder Einschränkungen beim Sprechen, Sport oder Kauen verursachen.

Auf dem Winterberg hat das Institut für Radiologie in diesem Bereich eine gute Expertise etabliert und behandelt solche Gefäßfehlbildungen jetzt mit der BEST-Methode, bei der – vereinfach ausgedrückt – Strom in die Gefäße gegeben wird, so dass diese zerstört werden und nicht weiterwachsen. Die Eingriffe sind sehr planungsaufwändig. Für das Klinikum Saarbrücken ist es eine Vervollständigung des Therapieangebots im Bereich der interventionellen Radiologie. Die Eingriffe erfolgen in enger Abstimmung mit den Nachbardisziplinen – auch hier wird der interdisziplinäre Ansatz des Team Winterberg gelebt.

"Venöse Malformation": Knäuel von krankhaften Venen

Blutschwämmchen, Storchenbiss, Feuermal – so werden Gefäßfehlbildungen im Volksmund genannt. Es sind angeborene Veränderungen der Blutgefäße, die oft schon bei der Geburt vorhanden sind und überall im Körper auftreten können. Einige Formen wie das klassische Blutschwämmchen mit Veränderungen der kleinsten Gefäße im Kapillarbett (Hämangiom) bildet sich im Kleinkindalter oft zurück. Bei einer „venösen Malformation“ hingegen liegt ein Knäuel von krankhaften Venen vor. Besonders im Gesicht können diese bei Kindern als bläuliche Flecken oder Schwellungen sichtbar werden. Diese Fehlbildungen sind gutartig, das heißt, sie sind keine echten Tumore und wachsen meist langsam mit dem Kind mit.

Neben dem ästhetischen Punkt (insbesondere im Kopf-Hals-Bereich) sind die venösen Malformationen nicht ganz ungefährlich, da sie sich diffus in die Umgebung weiter ausdehnen können und dann eine Funktionseinschränkung der angrenzenden Strukturen zur Folge haben können. Durch die Schwellung bei Belastung, z.B. beim Kauen und Sprechen, kann es zu Schmerzen kommen. Aber nicht jede venöse Malformation muss sofort behandelt werden. Entscheidend ist, ob sie Beschwerden verursacht, kosmetisch sehr störend ist, oder ob eine Funktionsstörung bereits besteht oder bei weiterem Wachstum droht.

Nicht nur Ästhetik spielt eine Rolle: Bei Beschwerden wird Behandlung notwendig

„Solche venösen Malformationen füllen sich langsam mit Blut und gerade bei Belastung oder zum Beispiel bei sportlicher Aktivität schwellen diese zum Teil erheblich an und machen dann Beschwerden“, erklärt Prof. Dr. Elmar Spüntrup, Chefarzt des Instituts für Radiologie auf dem Winterberg. Das Klinikum hat hier bereits seit einigen Jahren eine gute Expertise aufgebaut und etabliert. So konnte schon eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten jeden Alters mit Gefäß-Malformationen am gesamten Körper behandelt werden.

Neunjährige Leonie: Gefäßknäuel an der Lippe war mitgewachsen

Zum Beispiel Leonie Peifer aus Weiten (im Nord-Saarland bei Orscholz). Die inzwischen Zehnjährige hatte von Geburt an eine Gefäßmalformation an der Lippe mit Beteiligung der Mundschleimhaut, die eigentlich von selbst weggehen sollte. So hieß es nach der Geburt in einer Hautklinik. Weil dies aber nicht geschah, war die Familie regelmäßig zur Kontrolle, zuletzt auch auf dem Winterberg zum MRT. Hierbei stellte sich dann eine venöse Malformation als Ursache heraus.

Eine weitere Kontrolle stand in diesem Jahr wieder an, denn: Das Gefäßknäuel war mit Leonie deutlich weitergewachsen und hatte auf keine der bislang getesteten Therapien, z.B. Laser, reagiert. Weil inzwischen die Mundschleimhaut großflächig betroffen war, die Lippe zunehmend dicker wurde und im Raum stand, dass auch die Nahrungsaufnahme zunehmend erschwert wird, blieb als einzige Alternative der Eingriff von Prof. Spüntrup mit der BEST-Methode. „Für uns ein Glücksfall“, sagt Mama Clarissa, „dass wir diesen Kontakt gefunden haben und Leonie nun ohne weiteren Therapiebedarf erwachsen werden kann.“

Besondere Behandlung ist nur in wenigen Zentren möglich

Diese besondere Behandlung ist in nur wenigen Zentren in Deutschland möglich. Gerade für Behandlungen im Kopf- und Halsbereich sind besondere Kenntnisse und oft auch Materialien aus der Neuroradiologie erforderlich, weshalb der Winterberg prädestiniert für diese Versorgung ist – hier befinden sich am Institut für Radiologie unter Chefarzt Prof. Dr. Elmar Spüntrup die Neuroradiologie und die Radiologie unter einem Dach. Dieser spezielle Eingriff erfolgt in Abstimmung und enger Zusammenarbeit mit den jeweils beteiligten Nachbardisziplinen, hier bspw. die Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und die Kinderklinik.

Er sagt: „Wir werden dieses Verfahren zu einigen speziellen Terminen im Jahr für ausgewählte Patienten gebündelt anbieten können. Meist werden dies Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sein. Die Veränderungen sind in der Regel schon lange vorhanden und wachsen langsam, also kann man die Eingriffe elektiv planen.“ Es ist eine Vervollständigung des breiten Therapieangebotes auf dem Winterberg.

BEST-Methode: Großer Erfolg bei Gefäßfehlbildungen im Gesicht

Die so genannte Sklerosierungstherapie ist aktuell vielerorts die eingesetzte Therapie zur Behandlung der venösen Malformationen im Gesicht bei Kindern und jungen Erwachsenen. Bei der Sklerosierungstherapie werden die krankhaften Venen durch die Injektion eines Sklerose-Medikaments verödet und verschlossen, hierfür sind aber meist mehrere Sitzungen nötig, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Ziel ist es, die Beschwerden zu lindern und die Malformation zu verkleinern.

Auf dem Winterberg wird neue Methode bei ausgewählten Fällen eingesetzt

Neu etabliert hat sich die Bleomycin-Elektrosklerotherapie (BEST), die nun auch auf dem Winterberg beherrscht wird. Die Auswahl und Kombination der Methoden erfolgt individuell und interdisziplinär, abhängig von Ausmaß, Lage und Beschwerden der Malformation. Bei der BEST-Therapie wird nach Injektion eines Sklerosemedikamentes über ein Nadelkissen ein kurzer Strom in die Gefäßfehlbildung eingebracht. Durch Elektrostöße werden die Zellemembranen kurzfristig löchrig, so dass das Medikament 300-fach verstärkt in die Zellen der Venenwände gelangen kann. Dies wirkt dadurch schneller und besser, daher ist meist ist nur eine Sitzung nötig. Dieses Verfahren wird insbesondere bei oberflächlichen Malformationen im Kopf-, Hals- oder Gesichtsbereich eingesetzt. Ab auch am Rumpf oder an Arm und Bein wurden bereits Eingriffe durchgeführt. Die BEST-Therapie wird vor allem in spezialisierten Zentren mit umfangreicher interventioneller Expertise angeboten.

Wissenstransfer aus Augsburg

Die ersten Eingriffe sind gemeinsam mit Dr. Franz Stangl, Leitender Oberarzt der Neuroradiologie im Klinikum Augsburg, als Mit-Operateur erfolgt, der dieses Verfahren als einer von wenigen Neuroradiologen in Deutschland erfolgreich anwendet und lehrt und mit dem Prof. Dr. Elmar Spüntrup einen vertrauensvollen und wissenschaftlichen Austausch pflegt. Denn es gibt einige Besonderheiten, die beachtet werden müssen, insbesondere bei delikaten Bereichen wie bspw. einer Lippe. Dann kann aber ein sehr gutes Behandlungsergebnis erzielt werden.

Leonie: "Heilung verlief vorbildlich."

Daher entschied Prof. Spüntrup die BEST-Therapie als Therapieverfahren bei Leonie. Seit dem Eingriff sieht er sie regelmäßig und kontrolliert den Verlauf. „Einige Tage nach dem Eingriff ist die Stelle stark geschwollen, das ist normal. Final beurteilen, ob die Malformation erfolgreich behandelt werden konnte, können wir nach drei Monaten.“ Bei Leonie war der Eingriff ein Erfolg: Von ihrer venösen Malformation an der Lippe und innenseitig in der Mundschleimhaut ist nur noch eine kleine Erhabenheit außen übriggeblieben. die Heilung verlief vorbildlich. Auch die Familie ist froh über die deutliche Verbesserung: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Heilungsverlauf. Es ist deutlich besser geworden.“

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Das Foto zeigt Leonie am ersten Tag nach den Schulferien im Sommer 2025. Mit ihren Händen formt sie ein Herz.
Leonie am ersten Tag nach den diesjährigen Sommerferien: "Wir sind sehr zufrieden", sagt Mama Clarissa, "es ist deutlich besser geworden".
Das Foto zeigt Leonie einen Tag nach der OP mit noch geschwollener Lippe und ihre Mutter Clarissa.
Das Foto zeigt Leonie und Mama Clarissa einen Tag nach dem Eingriff - da ist die Lippe noch geschwollen. Das sei aber normal, sagt Prof. Dr. Elmar Spüntrup.
Portraitfoto Elmar Spüntrup
Chefarzt Prof. Dr. Elmar Spüntrup hat Leonie mit der BEST-Methode behandelt. Das Verfahren ist aufwändig und die Eingriffe müssen gut geplant sein. Aber: Es ist eine deutliche Erweiterung des breiten Therapieangebotes auf dem Winterberg. Einer Vielzahl von Patientinnen und Patienten konnte so schon geholfen werden.