Veranstaltung zur Patientenverfügung - was Patienten dazu wissen sollten

Pressemitteilung /

Am 4. Juli, 18 Uhr, beantworten Experten aus dem Krankenhaus Fragen und berichten von den Intensivstationen.

Die Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin (KAI) lädt am Dienstag, 4. Juli, 18 Uhr, alle Interessierten zu einer Informationsveranstaltung über Patientenverfügungen im Aufsichtsratszimmer auf dem Winterberg ein (Eingang schräg gegenüber der Notaufnahme). Im Rahmen einer offenen Gesprächsrunde berichten Chefarzt Dr. Konrad Schwarzkopf und die Pflegerische Leitung der Intensivstation 10 Mona Fröhlich über die Schnittmengen mit diesem Thema im Krankenhausalltag. „Wir stellen immer wieder fest, dass wenige Menschen wissen, wie wichtig es ist, diesen Moment gut vorzubereiten – wenn man keine eigenen Entscheidungen mehr treffen kann“, sagt Dr. Konrad Schwarzkopf. Er betont, dass es wichtig ist, die Familie mit einzubeziehen und über die Wünsche, Fragen und Entscheidungen offen zu sprechen. Die Veranstaltung sieht nicht nur praktische Informationen vor, sondern bietet auch in einer offenen Gesprächsrunde die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Im Folgenden beantwortet der Chefarzt ausführlich einige grundlegende Fragen zu diesem Themengebiet - aus ärztlicher Sicht und auf der Basis seiner Erfahrungswerte von den Intensivstationen. Ein Extrakt dieses Interview war am 26. Juni 2023 in der Saarbrücker Zeitung zu lesen.

 

Wenn Menschen ins Krankenhaus gehen, wird oft nach einer Patientenverfügung gefragt. Was „verfüge“ ich da eigentlich genau? Muss ich das machen?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Sie verfügen, was mit Ihnen geschieht, wenn Sie nicht mehr „Herr Ihrer Sinne“ sind. Jeder volljährige Mensch hat das Recht, in persönlichen Angelegenheiten vorzusorgen für den Fall, dass er in die Situation kommt, nicht mehr selbst entscheiden zu können, was geschieht („Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit infolge einer Krankheit oder hohen Alters). Sie „müssen“ also nicht, aber Sie sollten. Es gibt für diesen Fall aber nicht nur die Patientenverfügung, sondern auch noch die Vorsorgevollmacht und die Betreuungsverfügung.

 

Wie unterscheiden sich diese Dokumente denn und wie kann ich entscheiden, was das Richtige für mich ist?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Rein formal ist es so: In einer Patientenverfügung legt ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich fest, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt. Der Betreuer oder Bevollmächtigte prüft dann, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

Eine Vorsorgevollmacht bestimmt eine konkrete Vertrauensperson für den Fall der Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit des Vollmachtgebers für bestimmte Bereiche, z. B. für die gesundheitlichen Angelegenheiten. Dann ist dieser für alle Schritte verantwortlich: Der Bevollmächtigte wird zum Vertreter des Willens. Er verschafft dem Willen des aktuell nicht mehr einwilligungsfähigen Vollmachtgebers Ausdruck und Geltung.

Eine Betreuungsverfügung ist eine für das Betreuungsgericht bestimmte Willensäußerung einer Person für den Fall der Anordnung einer Betreuung. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn ein Patient infolge einer Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann und deshalb ein Betreuer bestellt werden muss.

Wichtig ist: Mit der Familie sprechen

Muss man so eine Festlegung beim Notar machen? Wann ist so etwas rechtsgültig?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Es ist eigentlich wie beim Testament: Man kann ein Stück Papier nehmen und seine Festlegungen frei treffen. Durch Unterschrift und Datum wird das Schriftstück rechtsverbindlich. Viele Menschen benutzen aber lieber vorformulierte Formulare und ergänzen dort einzelne Passagen. Man kann so etwas beim Notar abfassen (das kostet dann eine Gebühr) oder, da es um medizinische Inhalte geht, vielleicht sinnvoller mit einem Arzt des Vertrauens besprechen.

Wichtig sind folgende Punkte: Die Familie muss wissen, dass man so ein Schriftstück verfasst hat und wo es liegt. Idealerweise kennt die Familie auch den Inhalt des Dokuments, zumindest die zentralen Botschaften. Das Schriftstück muss mit Datum und Unterschrift versehen sein. Man sollte das Schriftstück regelmäßig, z.B. jedes Jahr erneut unterschreiben um zu zeigen, dass das Dokument weiterhin gelten soll.

 

Wieso ist es wichtig, dass die Familie oder ein einzelnes Familienmitglied den Inhalt kennt?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Wenn man eine Vorsorgevollmacht oder eine Betreuungsverfügung formuliert, also jemanden beauftragt, in gesundheitlichen Fragen für einen selbst Entscheidungen zu treffen, muss der Genannte informiert sein, dass er benannt wird (das ist erfahrungsgemäß nicht immer der Fall). Man muss mit dem beauftragten Menschen die Inhalte durchsprechen. Auch hier erleben wir auf der Intensivstation leider häufig, dass letzteres nicht erfolgt ist: Die Tochter weiß zwar, dass sie die Vorsorgebevollmächtigte ihres Vaters ist, kennt aber nicht dessen Haltung beispielsweise zu längerer „Maschinenmedizin“ oder zur postmortalen Organspende.

Was tun, wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt?

Was tun Sie in einem solchen Fall? Zum Beispiel: Der Vater hat in einem Dokument mal festgelegt, dass er „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ will, die Tochter ist aber Bevollmächtigte und will dies auf jeden Fall?

Dr. Konrad Schwarzkopf:  Dann haben wir offensichtlich einen Konflikt. Wir laden dann zu einem Gespräch und sprechen diesen Widerspruch zunächst einmal offen aus. Dabei betonen wir, dass der Bevollmächtigte in dieser Situation nicht die eigene Meinung als Angehöriger einbringen soll, sondern die Rolle des Bevollmächtigten zur Umsetzung des Patientenwillens innehat. Es ist im genannten Beispiel nicht die Tochter, die den geliebten Vater nicht verlieren will, mit der wir sprechen, sondern die benannte Patientenvertreterin, die den Wunsch unseres Patienten durchsetzen muss, dass der Vater keine unnötigen und unerwünschten lebensverlängernden Maßnahmen ertragen muss. Häufig kommen wir mit dieser recht einfachen Technik weiter und können gemeinsam einen Weg finden, der alle Interessen unter einen Hut bringt.

Was ist Ihrer Meinung nach das wichtigste Dokument, um sicherzustellen, dass mein Wille bezüglich der medizinischen Versorgung umgesetzt wird, wenn ich selbst meinen Willen nicht mehr formulieren kann?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Ganz klar: Ich als Intensivmediziner kann in aller Regel am besten den Patientenwillen umsetzen, wenn der Patient einen Vorsorgebevollmächtigten benannt hat und im Vorfeld mit diesem Bevollmächtigten seine generellen Vorstellungen durchgesprochen hat. Es geht dabei nicht um technische Punkte wie „Möchte ich eine Magensonde?“ oder „Möchte ich eine Blutwäsche?“, sondern um eine allgemeinere Haltung zu gesundheitlichen Fragen. Beantwortet werden müssen eher Dinge wie „Will ich dauerhafte Organersatzverfahren, z.B. eine Langzeitbeatmung?“, „Will ich maximale Therapie, auch wenn ich mit schweren Schäden, z.B. ausgedehnten Lähmungserscheinungen, aus einer Akutsituation herauskommen werde?“, „Will ich auch sehr kleine Erfolgsaussichten für eine gesundheitliche Wiederherstellung ausschöpfen?“, „Welchen Grad der Unselbstständigkeit möchte ich in Kauf nehmen?“. Wie gesagt, es geht nicht um technische Anweisungen für den Arzt, sondern darum, dass der Arzt die Vorstellungen des Patienten vermittelt bekommt, welche Grenzen der Patient selbst setzt für eine ausgedehnte Intensivbehandlung.

Langzeitintensivbehandlungen kommen in Vordrucken nicht vollumfänglich vor

Kann so etwas eine vorformulierte Patientenverfügung überhaupt auffangen?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Nicht vollumfänglich. Diese sind in ihren Formulierungen vor allem juristisch geprägt und konzentrieren sich im Wesentlichen auf Endstadien schwerster Erkrankungen, vor allem auch von Krebserkrankungen. Langzeitintensivbehandlung spielt da ganz selten eine größere Rolle. In Wirklichkeit ist es aber genau das, worum es bei uns auf den Intensivstationen geht: Wie weit soll die Intensivbehandlung gehen, wenn die Erfolgsaussichten sehr klein sind oder wenn der Patient nur mit starken Dauerschäden aus der Intensivbehandlung herauskommen wird? Diese Entscheidung müssen wir sehr oft treffen und es hilft ungemein, wenn der Patient dies vorher geäußert und schriftlich fixiert hat.

Was tun Sie denn, wenn es kein einziges Dokument gibt, das die Richtung anzeigt?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Dann versuchen wir, für uns das Umfeld unseres Patienten zu erkunden. Aus Gesprächen mit den Angehörigen oder Freunden kann man einen Eindruck gewinnen, welche Dinge für den Patienten wichtig sind. Mit etwas Zeit gelingt es auch dann häufig, Lösungen zu finden, mit denen alle zufrieden sein können. Klar ist aber, dass man eine Therapie ohne realistisches Therapieziel nicht durchführen darf.

 

Ich habe eigentlich keine Lust, mich mit meinem Tod oder einem Zustand auseinanderzusetzen, in dem ich nichts mehr mitbekomme. Warum sollte ich mich trotzdem damit beschäftigen?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Man sollte sich dennoch zu diesen Themen positionieren, weil man damit die Angehörigen und Freunde maximal entlasten kann. Denn diese werden von uns zu diesen Themen befragt, wenn der Patient selbst nichts festgelegt hat. Man kann sich vorstellen, wie belastend für diese Menschen solche Gespräche sind, vor allem, wenn man gerade vom schweren Unfall oder der schweren Erkrankung des geliebten Menschen überrascht und bedrückt wird. Ersparen Sie Ihren Angehörigen solche Notlagen und klären Sie Ihre Positionen im Vorfeld.

 

"Einen Patientenverfügung ist ernst gemeint"

Ich habe Angst, dass man mich sofort sterben lässt, wenn irgendwo steht, dass ich „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ will, obwohl ich vielleicht hätte überleben können. Ist das berechtigt?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Ganz klar: Eine Patientenverfügung ist keine Stilübung, sondern extrem ernst gemeint. Wenn man kategorisch festlegt „Ich will nicht, dass bei mir Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden“, dann wird eine Reanimation nicht durchgeführt. Wenn man verfügt „ich will nicht künstlich beatmet werden“, dann wird man nicht künstlich beatmet, wenn man fixiert „ich will nicht auf einer Intensivstation behandelt werden“, dann kommt man nicht auf eine Intensivstation. Deshalb ist es eben in der Regel besser, wenn man einen Bevollmächtigten benannt hat. Mit diesem können wir dann den Stand der Erkrankung besprechen und die Chancen der Behandlung ausloten. In Verbindung mit den Inhalten, die der Patient mit dem Bevollmächtigten besprochen hat, findet sich dann in der Regel eine gute Lösung für die Frage, wie weit man gehen will bei der Behandlung. Ganz wichtig ist auch, dass man sich klarmacht, dass eine einmal begonnene Therapie auch jederzeit abgebrochen werden kann, wenn sie nicht (mehr) dem Patientenwillen entspricht.

 

Kann ich in der Patientenverfügung eine Organspende ein- oder ausschließen?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Viele vorformulierte Patientenverfügungen klammern diesen Punkt leider komplett aus, das ist meiner Meinung nach falsch. Man sollte immer dafür sorgen, dass die Familie die eigene Haltung zum Thema Organspende kennt. Wenn man eine Patientenverfügung erstellt, muss man unbedingt darauf achten, dass man sich zum Thema Organspende äußert, z.B. mit dem Hinweis, dass die Festlegung auf dem Organspendeausweis Gültigkeit behält. Dazu sollte man dann auch einen Organspendeausweis ausgefüllt haben.

Organspendeausweis aus in hohem Alter relevant

Ab einem gewissen Alter ist das doch aber eh irrelevant, oder?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Irrtum. Viele Menschen glauben, dass ein höheres Lebensalter eine postmortale Organspende unmöglich macht und man sich deshalb z.B. als Rentner dazu nicht (mehr) festlegen muss: Das ist falsch, auch über 90-Jährige haben schon postmortal Organe gespendet und damit Leben gerettet oder verlängert.

 

Was mache ich konkret mit einer Verfügung, wenn ich ins Krankenhaus muss?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Am besten ist es so: Man sollte immer eine Kopie der aktuellen Verfügung bereit haben und diese bei einem Krankenhausaufenthalt mit in die Klinik nehmen. Beim geplanten Aufenthalt genauso wie bei der ungeplanten Notaufnahme. Deshalb ist es auch wichtig, dass Ihre Familie Bescheid weiß, dass es das Dokument gibt und wo es liegt.

 

Kann man die Inhalte einer solchen Verfügung jederzeit ändern?

Dr. Konrad Schwarzkopf: Ja, das geht immer. Solange der Patient ansprechbar ist, kann er auch mündlich jederzeit seine Verfügung inhaltlich ändern, z.B. wenn er eigentlich nicht beatmet werden will laut Verfügung, aber dann z.B. bei einer schweren COVID-Erkrankung doch eine Beatmung wünscht. Das erleben wir immer wieder und das ist auch legitim.

 

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Auf den Intensivstationen ist das Thema Patientenverfügung besonders wichtig.
PD Dr. Konrad Schwarzkopf