Krebsbehandlung in Corona-Zeiten im Klinikum Saarbrücken

Pressemitteilung /

Ein Interview mit Chefarzt Dr. Dr. Gregor Stavrou zur Versorgung von Krebspatienten auf dem Winterberg.

Eine Krebserkrankung trifft auf die Angst einer Covid-19-Infektion  - im Lockdown zögern manchmal Patienten einen Arzt oder das Krankenhaus aufzusuchen. Dazu kommen freizuhaltende Intensivkapazitäten für Corona-Patienten.

Dr. Dr. Gregor A. Stavrou, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Chirurgische Onkologie, blickt im Interview auf die akutelle Situation.
 

Hat sich die Zahl der Krebsbehandlungen im Klinikum Saarbrücken während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 und des noch andauernden zweiten Lockdowns erheblich reduziert?

Grundsätzlich zeigen Daten aus internationalen Registern (CovidSurgGlobalCollective), dass etwa 35 Prozent der Krebsoperationen weltweit im ersten Lockdown verschoben wurden. Die Daten zum jetzigen Lockdown liegen noch nicht vor.

Wir haben in Saarbrücken schon im ersten Lockdown genauso wie jetzt sehr darauf geachtet, die Chirurgie bei Krebs als prioritär zu sehen und – wenn auch in reduziertem Umfang – weiter durchzuführen. Für die Patienten bedeutete dies, dass wir im ersten Lockdown sicherlich auch längere Wartezeiten auf die OP hatten, soweit dies medizinisch vertretbar war.

Grundsätzlich versuchen wir, alle medizinisch notwendigen Operationen und Behandlungen im Zusammenhang mit Krebserkrankungen durchzuführen. Erschwerender Faktor ist hier, dass bei diesen Eingriffen meist auch Intensivkapazität gebraucht wird bzw. zumindest eingeplant werden muss, die derzeit für Corona-Patienten vorgehalten wird. Als Corona-Schwerpunktzentrum tragen wir im Klinikum Saarbrücken hier eine besondere Verantwortung. Aber trotz aller pandemiebedingten Einschränkungen konnten wir aber bislang alle uns anvertrauten Patienten versorgen.

Im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr 2020 sehen wir aktuell mehr Patienten, die zur Krebsoperation anstehen, aber covid-positiv sind. Es gibt nur unzureichende Daten, ab wann ein Eingriff bei symptomloser Infektion wieder – für den Patienten - sicher durchführbar ist. Das ist ein Problem, denn potenziell kann eine mehrwöchige Wartezeit für einen Krebspatienten Konsequenzen haben, zumal in der Zeit der akuten Infektion auch keine Chemotherapie möglich ist.

Grundsätzlich gibt es aber keine corona-bedingten Einschränkungen an Behandlungsoptionen. Alle uns vor der Pandemie zur Verfügung stehenden Möglichkeiten werden auch jetzt angeboten.
 

Finden die regulären Untersuchungen bei Verdacht einer Krebserkrankung weiterhin im Krankenhaus statt?

Hier bei uns im Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg konnten wir alle Untersuchungen durchführen, wenn auch ebenso wie bei den Operationen mit reduzierter Schlagzahl – natürlich immer in Abwägung der Risiken und einer etwaigen Intensivbehandlungsnotwendigkeit.

Mir persönlich ist kein Fall bekannt, bei dem im Haus notwendige Untersuchungen nicht durchgeführt werden konnten.

Vorsorgeuntersuchungen sind hingegen im deutschen Gesundheitssystem traditionell eher im niedergelassenen Bereich angesiedelt. Es gab auch hier zwischenzeitlich eine deutliche Reduktion.

Grundsätzlich kommt aber auch dazu, dass manche Patienten ihre eigene Vorsorge aus Angst vor Corona nicht forciert verfolgt haben. Das kann natürlich Konsequenzen haben, die man aber wahrscheinlich erst in einigen Jahren abschließend beurteilen kann.
 

Welche Rolle spielt bei Patienten die Angst vor Corona? Waren Patienten, die einen Verdacht auf eine Krebserkrankung hatten, zu jeder Zeit genauso gut versorgt wie vor der Pandemie?

Nein. Das hat vor allem mit der Angst vor Corona und den logistischen Herausforderungen zu tun. Patienten nahmen gerade in der ersten Welle Termine aus Angst nicht wahr, gingen nicht zu ihrem Hausarzt oder zur Darmspiegelung. Sie kamen dann mit teils heftigen Beschwerden in die Notaufnahme.

Wir Allgemeinchirurgen konnten und können gerade in den „Wellen“ nicht unsere übliche OP-Kapazität ausschöpfen. Ob dies tatsächlich einen Einfluss auf das Überleben hat, ist nicht zu beantworten. In anderen Ländern wartet man ganz regulär durchaus drei Monate auf eine Krebsoperation, hierzulande ist man gewohnt, in der nächsten Woche operiert zu werden.

Chemotherapie-Behandlungen können genauso wie interventionelle Therapien durchgeführt werden, aber auch hier spielt die Angst vor Corona eine große Rolle. Wir haben hier gemeinsam mit unseren Kollegen aus den anderen beteiligten Disziplinen sehr darauf geachtet, die Patienten eng zu binden und zu begleiten – bei aller gebotenen Vorsicht und Umsicht. Zudem haben wir neue digitale Angebote für Sprechstunden aufgebaut – dies konnte auch einiges kompensieren.
 

Welche zusätzlichen Herausforderungen konnten Sie pandemiebedingt beobachten?

Ein großes Problem ist die Isolation für die Patienten und die nur sehr eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten für die Angehörigen.

Was immer bleibt ist die Ungewissheit beziehungsweise Gefahr einer Infektion.

Hinzu kommt, dass einige Patienten, die für eine große OP eingeplant sind, covid-positiv sind - damit kann man die OP nicht zeitnah machen und auch keine Alternativbehandlung anbieten. Notfälle wurden und werden natürlich jederzeit versorgt – Corona hin wie her.

Die Patienten, die wir behandeln konnten, haben eine reguläre Behandlung erhalten und sind mit uns gut durch die Corona Zeit gekommen.
 

Die Angst vor einem zusätzlich erschwertem Krankheitsverlauf durch eine Corona-Infektion steht den Gefahren gegenüber, wenn Patienten auf einen Arztbesuch und eine Behandlung verzichten: Was raten Sie Patienten?

Krebs macht keine Pause und kümmert sich auch nicht um Corona. Die strukturierte Behandlung von Krebspatienten muss auch in dieser Zeit gelingen – alle versuchen ihr Bestes, um das möglich zu machen.

Die Behandlung unter Corona-Bedingungen ist sicherlich um ein vielfaches komplexer und aufwändiger, aber die Folgen, den Krebs nicht zu behandeln, sind ungleich schlimmer.

Daher kann man immer nur an alle Patienten appellieren, ihre Termine wahrzunehmen, insbesondere auch Termine zur Bildgebung und Verlaufskontrolle. Wenn dies aus irgendwelchen Gründen ambulant nicht gelingt, würde ich den Patienten raten, ins Krankenhaus zu kommen.

In etwa fünf Jahren werden wir retrospektiv analysieren können, inwieweit die Pandemie Einfluss auf die medizinische Versorgung, Lebensqualität und Überleben der Patienten hatte – ich persönlich glaube, dass die Krebspatienten im Vergleich ein schlechteres Überleben haben werden. Unser Auftrag als Mediziner ist es im Moment, im Rahmen der Möglichkeiten das Maximum für unsere Patienten herauszuholen.
 

Weitere Informationen 

Die chirugische Onkologie ist eine Spezialisierung auf die chirurgische Krebsbehandlung. Es geht um die strukturierte Behandlung von Krebserkrankungen unter chirurgischen Prinzipien und Standards und um die Einbeziehung aller an der Behandlung von Krebspatienten tätigen Fachkollegen.

In interdisziplinären Tumorkonferenzen wird für jeden Patienten individuell eine optimale Behandlungsstrategie festgelegt. Dabei ist die Chirurgische Onkologie der Grundpfeiler in der Versorgung von Patienten mit Tumoren. Dank vieler Entwicklungen in den vergangenen zehn Jahren können wir heute immer mehr Patienten wirklich mit gutem Ergebnis helfen.

Der Schlüssel der Krebsbehandlung ist heute die multimodale und interdisziplinäre Behandlung, die für jeden Patienten individuell in einem Gesamt-Onkologischen Behandlungskonzept festgelegt wird. Ein erfahrener Chirurg stellt in der Tumorkonferenz die operativen Möglichkeiten und deren zeitlichen Ablauf vor. Dabei arbeiten wir im Klinikum Saarbrücken in unserem Zentrum mit der Sektion Onkologie, dem Onkovaskulären Zentrum, der Strahlentherapie und der Gastroenterologie eng zusammen.

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Chefarzt Dr. Dr. Gregor A. Stavrou führt einen operativen Eingriff im Klinikum Saarbrücken an einem Krebspatienten durch. (Foto: Oliver Dietze)
Chefarzt Dr. Dr. Gregor A. Stavrou führt einen operativen Eingriff an einem Krebspatienten durch. (Foto: Oliver Dietze)
Portraitfoto Gregor Stavrou
Dr. Dr. Gregor A. Stavrou, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie, Chirurgische Onkologie