Was ist ein Delirium?

Delir ist eine Bezeichnung für eine akute Verwirrung. Es wird manchmal als Albtraum beschrieben, aber für Patienten fühlt es sich sehr real an. Ein Patient mit Delir halluziniert, was bedeutet, dass er Dinge sehen, hören oder fühlen kann, die außerhalb seiner Vorstellungswelt nicht existieren.

Stellen Sie sich vor, sie befinden sich in unterschiedlichen, oft sehr beängstigenden Situationen, zum Beispiel:

•    Sie wissen nicht, dass Sie im Krankenhaus sind
•    Sie können Tiere sehen, die Sie angreifen wollen
•    Sie denken, Sie wurden entführt und gefesselt
•    Sie denken, die Mitarbeiter der Intensivstation geben nur vor, Krankenschwestern zu sein. In Wirklichkeit sollen Sie ermordet werden
•    Sie denken, Sie oder Ihnen gut vertraute Menschen sind gestorben
•    Sie glauben, dass aus den Lüftungsöffnungen an der Decke Schlangen zu Ihnen ins Bett kommen

Der Patient ist absolut davon überzeugt, dass das, was er nur in seiner Phantasie erlebt, tatsächlich geschieht. Es kann für den Patienten furchterregend und für Verwandte des Patienten sehr besorgniserregend sein. Ein Patient mit Delir kann manchmal Freunde und Familie noch erkennen, glaubt dann aber den Angehörigen nicht, wenn diese ihm sagen, dass er sich diese beängstigenden Situationen nur vorstellt. Patienten im Delir fühlen sich manchmal in akuter Lebensgefahr, sie stehen häufig unkontrolliert aus ihrem Krankenhausbett auf und versuchen die Station oder das Krankenhaus zu verlassen.

Patienten mit Delir haben häufig Verständnis- und Erinnerungslücken. Selbst wenn sie zunächst zu verstehen scheinen, was aktuell passiert, oder sich aktiv am Gespräch beteiligen, können sie sich eine Minute später nicht daran erinnern, was ihnen gerade gesagt wurde. Ein Delirium kann innerhalb von einer Minute einsetzen oder enden: In einer Minute führen Sie ein normales Gespräch mit dem Patienten, und in der nächsten Minute sagt der Patient Dinge, die für sie als die Zuhörer keinen Sinn ergibt.

Patienten mit Delir können aufgrund der Behandlungssituation oft nicht darüber sprechen, was ihrer Meinung nach mit ihnen passiert:

•    Wenn ein Patient im Delir einen Luftröhrenschnitt hat oder noch über einen durch den Mund geführten Beatmungsschlauch beatmet wird, kann er nicht normal sprechen. Daher ist es für diesen Patienten sehr schwierig, dem Intensivpflegepersonal und der Familie zu sagen, was er glaubt, was gerade passiert. 
•    Patienten können sediert sein (das bedeutet, dass ihnen Medikamente verabreicht wurden, die ihnen beim Schlafen helfen), dabei aber dennoch vieles mitbekommen: Entwickelt der Patient in dieser Situation ein Delir, so sind die damit verbundenen Wahrnehmungen für den Patienten noch verwirrender. 

Delir kann sich grundsätzlich auf zwei Arten zeigen - entweder für alle recht offensichtlich als hyperaktives Delir oder eher nicht so offensichtlich als hypoaktives Delir.

Beim hyperaktiven Delir können die Patienten sehr aufgeregt und aggressiv sein, was für die Angehörigen eine große Belastung darstellt. Auch für das Pflegepersonal ist das hyperaktive Delir des Patienten eine große Herausforderung, der Patient kann seine Infusionsleitungen abreißen, Katheter herausziehen, versuchen, aus dem Bett zu kommen oder manchmal sogar auf das Personal einschlagen.

Ein hypoaktives Delir ist nicht leicht zu erkennen, da es keine Anzeichen dafür gibt, dass der Patient solche beängstigenden Gedanken hat. Vielmehr liegt der Patient ruhig, nicht kommunikativ und teilnahmslos im Bett.

Um ein Delir zu erkennen, führen wir mehrmals täglich Tests bei allen unseren Intensivpatienten durch. Innerhalb weniger Minuten kann man mit solchen Verfahren, beispielsweise dem CAM-ICU (Confusion Assessment Method for the Intensive Care Unit) oder dem Nu-DESC (Nursing Delirium Screening Scale), das Vorliegen oder die Abwesenheit eines Delirs recht zuverlässig prüfen. 

Bei kritisch kranken Patienten können viele Organe betroffen sein, auch das Gehirn. Ein Delir ist grundsätzlich ein Zeichen dafür, dass das Gehirn aktuell nicht richtig funktioniert.

Zu den möglichen Ursachen eines Delirs gehören:

•    Infektionen
•    Medikamente, die Patienten zur Behandlung ihrer Krankheit oder ihres Zustands verabreicht werden
•    Nieren-, Herz- oder Lungenversagen
•    Natürlich können auch Gehirnverletzungen Delir-Symptome auslösen

 

Einige Patientengruppen entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Delir, wie zum Beispiel:

•    ältere Patienten
•    Patienten mit Suchtproblemen: Alkohol, Medikamente, illegale Drogen
•    Menschen, die schon vor ihrer Behandlung auf der Intensivstation vergesslich geworden waren (Demenz)
•    Patienten, die bereits vor der Behandlung auf der Intensivstation Medikamente eingenommen hatten
•    Menschen mit Leberproblemen
•    Patienten, die künstliche beatmet werden müssen.

 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie versuchen können, einem Patienten mit Delir zu helfen, beispielsweise:

•    Halten Sie ihm die Hand und beruhigen Sie den Patienten so.
•    Erklären Sie dem Patienten, dass er im Krankenhaus liegt und in Sicherheit ist.
•    Reden Sie mit dem Patienten. Wenn der Patient sediert ist und Sie nicht sicher sind, worüber Sie sprechen sollen, lesen Sie ihm ein Lieblingsbuch oder eine Zeitung vor. Viele Patienten finden es 
     beruhigend, einige Minuten Ihre vertraute Stimme zu hören.
•    Führen Sie vielleicht ein Tagebuch darüber, was mit dem Patienten passiert und was Sie in diesen Wochen getan haben. Der Patient kann dies später sehr hilfreich finden, da er bei einem Delir
     sehr verwirrte Erinnerungen daran hat, was mit ihm auf der Intensivstation passiert ist. Die Krankenschwestern können Ihnen möglicherweise dabei helfen.
•    Informieren Sie das Personal, wenn der Patient normalerweise eine Brille oder ein Hörgerät trägt, und helfen Sie dem Patienten, diese aufzusetzen. Es kann dem Patienten helfen zu verstehen, wo
     er sich befindet, wenn er seine Umgebung sehen und hören kann, wenn er angesprochen wird.
•   Bringen Sie ein Lieblingsparfum oder Aftershave des Patienten mit. Auch Gerüche werden wie Stimmen im Schlaf unbewusst wahrgenommen.

Eine ursächliche Behandlung des Delirs ist nicht möglich. Das Ziel ist es vielmehr ein Auftreten zu vermeiden oder die Dauer eines Delirs zu verkürzen.

Zur Vermeidung eines Delirs macht man Dinge wie:

•    Einen normale Tag-Nacht-Rhythmus für den Patienten einzurichten, um normalen Schlaf zu unterstützen.
•    Die Patienten zu mobilisieren, selbst wenn der Patient nur für Minuten an der Bettkante sitzt.
•    Den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen und damit die Sedierung beenden zu können.

Bei Patienten im Delir konzentrieren wir Intensivmediziner uns darauf zu verhindern, dass sich der Patient selbst Schaden zufügen kann. Dazu kann es auch notwendig werden, entsprechende Medikamente einzusetzen.

 

Ein Delir ist normalerweise vorübergehend und dauert einige Tage bis mehrere Wochen. Manchmal kann es noch länger dauern, bis das Delir vollständig abgeklungen ist. Selbst wenn der Patient nicht mehr akut auffällig ist, kann es durchaus einige Zeit dauern, bis der Patient wirklich versteht, dass das, was er in seiner Einbildung erlebt hat, nicht wirklich passiert ist.

 

Ein Delir ist eine überaus ernst zu nehmende Komplikation, die sich aber meist parallel zur körperlichen Erholung löst. Wie schon gesagt, bei Intensivpatienten tritt ein Delir extrem häufig während der Behandlung. Selten kann ein Delir auch in einen dauerhaften geistigen Abbau übergehen. Insbesondere die Konzentration und das Gedächtnis können negativ beeinflusst werden. Einige Patienten mit Delir können auch nach Ihrem Krankenhausaufenthalt noch sehr lebhafte Träume haben, dies kann noch bis zu zwei Monate später beginnen.

Einige Patienten haben keine Erinnerung an ihre Zeit auf der Intensivstation. Andere erinnern sich an sehr viele Details. Für viele Patienten ist es auch beunruhigend, über diese Zeit nachzudenken, weil sie diese Tage vielleicht als sehr beängstigend empfunden haben.
Grundsätzlich dauert es häufig lange, sich emotional von einem langen Intensivaufenthalt zu erholen. Der Patient sollte sich die dafür notwendige Zeit nehmen.

Viele ehemaligen Patienten empfehlen, Informationen zu sammeln: Versuchen Sie herauszufinden, was mit ihnen auf der Intensivstation passiert ist, welche Behandlungen durchgeführt wurden usw. Dies hilft Ihnen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, was Einbildung war und was real war. Dabei kann Ihnen auch ein Patiententagebuch helfen, dass Ihre Angehörigen vielleicht für Sie angelegt haben.

Wir können es Ihnen auch ermöglichen, unsere Intensivstation zu besuchen. Dies kann für den Patienten sehr schwierig sein, es kann ihm jedoch auch helfen, rauszubekommen, was mit ihm passiert ist. Unsere Mitarbeiter haben können auch die Behandlung und typische Geräte erklären, manche rätselhafte Geräusche lassen sich beispielsweise klären.

Nehmen Sie sich die nötige Zeit, manche Patienten finden erst Jahre nach dem Intensivaufenthalt die Kraft, den Dingen nachzugehen. Wir stehen Ihnen dabei gerne zur Seite.